Global Lunch

Experiment macht nachdenklich

Reis am Boden oder Braten am schön gedeckten Tisch? – das Los entscheidet beim “Global Lunch”

21.11.2010

Zum Abschluss des Kirchenjahres, das heuer unter dem Jahresthema “Weltweite Verantwortung” stand, waren die Mitglieder der Pfarrei St. Emmeram zum “Global Lunch” geladen. Näheres zu diesem Essen war nicht bekannt. Viele Besucher erstanden ihre Eintrittskarten mit der Vermutung: “Da wird’s sicher etwas Indisches geben.”

img_0183Dass sie sich auf etwas ganz Spezielles eingelassen hatte, schwante den über 100 Gästen jedoch erst, als sie im kleinen Pfarrsaal zuerst einmal an ungedeckten Tischen Platz nehmen sollten. Stadtpfarrer Markus Schmid erklärte, dass man die Tatsache, dass Mensch in einigen Ländern im Überfluss leben, während andere nicht genug haben, um satt zu werden, spürbar machen wolle.

Um die Unterschiede am eigenen Leib zu erfahren, werde nun das Los entscheiden, in welche Welt man für die Dauer des Essens hineingeboren werde: in die dritte Welt mit Armut und Elend, in die reiche erste Welt oder irgendwo dazwischen, in die zweite Welt.

Entsprechend dem prozentualen Anteil in der Weltbevölkerung durften einige wenige am stilvoll weiß gedeckten Tisch, mit Silberleuchter, Menükarten, Blumenarrangements und Kristallgläsern, Platz nehmen, während eine größere Anzahl Besucher an den Holztischen saß. Die größte Gruppe musste sich einen Platz auf dem Boden suchen.

img_0177Während höfliches Personal den Privilegierten als Aperitif Sherry oder Martini reichte und dann als Appetitanreger Datteln im Speckmantel servierte, mussten sich die anderen Gruppen gedulden. An den Tischen der ersten Welt gab’s erlesene Weine. Die Gäste in der zweiten Welt durften wenigstens Wasser und Saft trinken. Die Unterprivilegierten konnten sich lediglich Wasser aus einem großen Gefäß schöpfen.

Auch bei der Leberknödelsuppe waren alle anderen Zuschauer. Als Hauptgang verwöhnte man die Auserwählten mit knuspriger Gänsebrust, Kartoffelknödeln und Blaukraut. In der zweiten Welt konnte man zumindest Gulasch mit Nudeln schöpfen, in der dritten Welt gab es Reis. Und auch ein Nachtisch wurde hier nicht serviert, während die “Reichen” Herbst-Panna-Cotta im Pflaumenbett genossen und die mittlere Klasse wenigstens einen Apfel zur Verfügung hatte.

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Praktikant Christian Kalis und Dekan Schmid versuchten zwischen den Gängen, anhand von Zahlen die Miss-verhältnisse klarzumachen. 15 Prozent der Weltbevölkerung gehört zur “High-Income”-Gruppe, kann sich alle Güter leisten, leidet an Wohlstandskrankheiten, muss keinen Krieg und keine Vertreibung fürchten. “Im Verhältnis zu den Armen der Welt gehören auch Hartz-IV-Empfänger zur ‘High-Income’-Gruppe”, machte Kalis die tiefe Kluft zur dritten Welt klar.

img_0243Zur zweiten Welt rechnet man 35 Prozent der Weltbevölkerung. Sicherheit und Zugang zu Bildung und Gütern seien nur teilweise gewährleistet, ein paar Jahre Schulbesuch seien möglich, aber ein Abschluss fehlt, da man so bald wie möglich arbeiten müsse, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Krankheit oder andere Faktoren können schnell dazu führen, dass man in die dritte Welt abrutscht, was am Beispiel eines Gastes gezeigt wurde, der den Platz am Gulaschtopf verlassen und in die dritte Welt absteigen musste.

50 Prozent der Weltbevölkerung (3,4 Milliarden Menschen) gehören zur dritten Welt. Grundbedürfnisse können nicht gedeckt werden, die Sorge um den nächsten Tag bestimmt das Leben. Das Durchschnittsalter ist nur 40 Jahre, Menschen sterben an Aids und Mangelernährung. Analphabetismus, Ungerechtigkeit, Unfrieden sind weitere Faktoren, die ihnen keinerlei Chancen geben.

Aus allen Gruppen kamen Vertreter zu Wort, die über ihr Leben in Krisengebieten der Erde oder ihre gut bezahlten Jobs in Wohlstandsländern berichteten. Diskriminierung, Verfolgung, Naturkatastrophen und Ausbeutung bestimmen das Leben der Armen, Wohlstand und Überfluss gibt es bei den anderen.

img_0257Teilnehmer aus den drei Gruppen erzählten von ihren Empfindungen während des Essens. Die Reichen fühlten sich, wie ein Gast es treffend ausdrückte, ziemlich großkotzig im Blick auf die weniger Privilegierten. Vereinzelt wanderten auch Teller zwischen den Welten hin und her, teilweise erst mit den Resten, wenn man selber satt war, wie selbstkritisch festgestellt wurde.